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Der Stadioneinlass lässt sich queerfreundlicher organisieren

Warum ist das wichtig?

Der Einlass im Fußball ist nach zwei Geschlechtern (männlich / weiblich) organisiert. Allerdings existieren neben männlich / weiblich auch juristisch betrachtet der Geschlechtseintrag divers (die sogenannte dritte Option) sowie die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag komplett zu streichen. Für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau verstehen oder nicht von außen als solche erkennbar sind, entsteht durch die derzeitige Einlassgestaltung ein Problem: Sie müssen sich entweder bei den Männern oder bei den Frauen eingruppieren, obwohl keine der Optionen passt. Ebenso machen trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre (tin*) Menschen die Erfahrung, von der einen Ordnungsdienst-Kraft (OD-Kraft) zur anderen geschickt zu werden: je nachdem, ob die kontrollierende OD-Kraft den Fan als Frau oder Mann betrachtet. Das ist demütigend, denn die Geschlechtsidentität einer Person ist für Außenstehende nicht zu erkennen und es steht niemandem außer der Person selbst zu, darüber zu entscheiden.

„Die Einlasssituation finde ich nervig. Da habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich zu einem Mann gegangen bin, der mich nicht abtasten wollte und gesagt hat: ‚Geh‘ mal zur Frau‘. Dann wollte die Frau mich nicht abtasten und sagt: ‚Geh‘ mal zu dem Mann‘.“


Leif, männlich, trans*, queer

Aktuell gibt es im Fußball keine einheitliche Regelung, wie Sicherheitsdienste und Ordnungskräfte mit geschlechtlicher Vielfalt umgehen. Das sorgt für Handlungsunsicherheit beim Sicherheitspersonal und führt potenziell zu Diskriminierung von Fans.

„Wie komme ich überhaupt ins Stadion rein bei den Einlasskontrollen? Wenn ich dann erstmal dastehe und von allen Leuten angeglotzt werde und niemand mehr weiß, wo ich hingehen soll, das ist super unangenehm.“


Alex*, nicht-binär, trans*
Ziel sollte es sein, einen diskriminierungsfreien Einlass für alle Geschlechter zu ermöglichen und Handlungssicherheit für Ordnungsdienstkräfte herzustellen.

Was sind umsetzbare Maßnahmen?

Ein queerfreundlicher Einlass lässt sich durch sogenannte Sensitivity Lanes gestalten, also durch Einlässe, an denen speziell geschulte Ordnungsdienst-Kräfte (OD-Kräfte) eingesetzt werden. Für einen störungsfreien und diskriminierungsärmeren Einlass ins Fußballstadion ist in erster Linie die Sicherheitsabteilung des Clubs verantwortlich.

Aber rund um den Einlass sind mehrere Abteilungen beteiligt. Damit sichergestellt ist, dass alle von etwaigen Neuerungen erfahren, braucht es Kommunikation mit allen relevanten Fachabteilungen. So müssen beispielsweise auch das Ticketing und die Fanabteilung über eine Neuregelung informiert sein, um die notwendigen Schritte veranlassen zu können.

  • Rechtlicher Hintergrund

    Anders als vielfach angenommen, gibt es kein Gesetz, das verbietet, dass Frauen von Männern und Männer von Frauen abgetastet werden.

    Wichtig bei der Kontrolle ist, dass sie freiwillig erfolgt und auf gegenseitigem Einverständnis beruht. Dieses Einverständnis gilt als gegeben, wenn eine Person durch ihre Körpersprache (z.B. durch gehobene Arme) signalisiert, dass sie vom Gegenüber kontrolliert werden möchte. Die wichtigsten rechtlichen Informationen haben wir in dem Papier ‚Rechtliches zu Einlasskontrollen‘ zusammengestellt (siehe Weiterführende Materialien).

  • Was CSR/CR Abteilungen tun können

    Ein für alle Geschlechter angemessener Stadioneinlass braucht eine Reihe von vorgelagerten Maßnahmen und muss in eine gute Zusammenarbeit unterschiedlicher Abteilungen eingebettet sein. Die CSR/CR Abteilungen der Clubs können andere Abteilungen über notwendige Maßnahmen informieren und sie bei der Umsetzung begleiten.

    So ist es beispielsweise wichtig, dass Fans bereits vor dem Kauf eines Tickets darüber informiert werden, dass es einen gendersensiblen Einlass gibt. Denn das ist für trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre (tin*) Fans vielmals entscheidend für den Ticketkauf und dementsprechend relevant für die Abteilung Ticketing (siehe auch das Thema Sprache).

    Ebenso kann die CSR Abteilung Informationen an die Kommunikationsabteilung (Öffentlichkeitsarbeit/ÖA) weiterleiten. Fans können beispielsweise über Social-Media-Kanäle und Berichterstattung auf der Website über die Einrichtung einer Sensitivity Lane informiert werden.

    Gleichzeitig müssen alle rückmelden können, wenn an einer Stelle etwas nicht gut läuft und es beispielsweise doch zu einer diskriminierenden Situation am Einlass gekommen ist. Mit der Info, dass es eine Sensitivity Lane gibt, sollte also auch kommuniziert werden, an wen man sich mit Verbesserungsvorschlägen oder Kritik wendet. Hier kann die CSR Abteilung ansprechbar sein und Informationen sowohl nach innen weiterleiten und Veränderungen herbeiführen als auch die Kommunikation nach außen steuern.

  • Was Fanbeauftragte tun können

    Fanbeauftragte können in erster Linie über ihren Kontakt zu (queeren) Fans und Fanclubs die Bedarfe eruieren. Falls es bislang keine tin* Fans gibt, die gegenüber Fanbeauftragten out sind, kann zunächst das Gespräch mit queeren Fanclubs oder auch der aktiven Fanszene gesucht werden. Das signalisiert auch, dass sich der Club mit dem Thema beschäftigt. Nur weil bislang keine tin* Fans sichtbar sind, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt. Falls bereits ein Kontakt besteht, kann in Absprache mit dem Fan / den Fans gegebenenfalls der persönliche Kontakt zu den Sicherheitsbeauftragten hergestellt werden.

    Weitere Ideen und Maßnahmen für Fanbeauftragte finden sich beim Thema Fankultur.

  • Was Sicherheitskräfte tun können

    Ein queerfreundlicher Einlass lässt sich durch sogenannte Sensitivity Lanes gestalten, also durch Einlässe, an denen speziell geschulte Ordnungsdienst-Kräfte (OD-Kräfte) eingesetzt werden. Sensitivity Lanes wurden bei der EURO 2024 erprobt und sind vom DFB empfohlen.

    Einführung von ‚Sensitivity Lanes‘

    Der DFB hat im Januar 2024 Empfehlungen für die Errichtung von Sensitivity Lanes herausgegeben (siehe unter Weiterführende Materialien) und sie auf derTagung für Sicherheitsbeauftragte vorgestellt.

    Jeder Fan, egal welchen Geschlechts, sollte willkommen sein. Die Sensitivity Lane stellt sicher, dass Fans an ausgewiesenen Kontrollstationen selbst entscheiden können, von wem sie kontrolliert werden.

    Der DFB empfiehlt, eine Kontrollstelle (z.B. die rechte Schlange) zur Sensitivity Lane zu machen:

    • Anders als bei den regulären Einlassstellen führen bei der Sensitivity Lane geschulte OD-Kräfte (‚Sensitivity Stewards‘) den Body-Check bei allen Fans durch, die sich bei der Sensitivity Lane angestellt haben. Das heißt auch, dass OD-Kräfte Fans kontrollieren, die ein anderes Geschlecht haben als sie selbst.
    • Es muss sichergestellt sein, dass sich immer zwei Sensitivity Stewards (davon mindestens eine weibliche / nicht männliche OD-Kraft) an der Sensitivity Lane befinden und dass sich diese Personen freiwillig für die Tätigkeit zur Verfügung stellen.
    • Die Sensitivity Lane sollte als solche erkennbar und ausgeschildert sein. Auch die dort arbeitenden Sensitivity Stewards sollten erkennbar sein (z.B. anhand einer andersfarbigen Weste).
    Schulung von ‚Sensitivity Stewards‘

    Um die Sensitivity Lanes adäquat zu begleiten, braucht es informiertes, das heißt zu dem Thema geschultes Personal an den entsprechenden Kontrollstellen. Diese Schulung kann beispielsweise durch ein schriftliches Handout erfolgen (Beispiel siehe unter Weiterführende Materialien: ‚Information für Sicherheitsverantwortliche EURO 2024‘). Darüber hinaus ist eine persönliche oder online durchgeführte Schulung ratsam. Denn ein Info-Papier mit Handlungsanweisungen reicht erfahrungsgemäß nicht aus, um die OD-Kräfte auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Eine solche Schulung bietet sich auch an, um vorab alle Fragen klären zu können. Der zeitliche Rahmen liegt etwa bei einer bis eineinhalb Stunden.
    Um die Sensitivity Lane diskriminierungssensibel umsetzen zu können, müssen Informationen unbedingt vom Sicherheitsdienst an die OD-Leitungen und OD-Kräfte weitergegeben werden.

    Wichtige Informationen, die die Schulung der Sensitivity Stewards beinhalten sollte:

    • Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung: Fans entscheiden aktiv selbst, von wem sie an der Sensitivity Lane kontrolliert werden, und werden nicht passiv einer (anderen) OD-Kraft zugewiesen.
    • Akzeptanz: Es erfolgt keine Zuweisung des Geschlechts durch Sensitivity Stewards. Das heißt, es werden keine Nachfragen gestellt und das Geschlecht der Person wird nicht angezweifelt.
    • Signalisierung: Alle Personen, die an die Sensitivity Stewards herantreten und die Arme heben, signalisieren hiermit, dass sie mit einer Kontrolle einverstanden sind. Die Person kann anschließend von den Sensitivity Stewards kontrolliert werden.
    • Einvernehmlichkeit: Sensitivity Stewards kontrollieren auf Wunsch auch Fans, die nicht dasselbe Geschlecht haben wie sie selbst. Auch OD-Kräfte haben das Recht, eine Durchsuchung abzulehnen. Eine Durchsuchung findet stets im Einvernehmen statt.
    • Konfliktmanagement: Wenn es Probleme oder Auseinandersetzungen mit einer Person um die Frage gibt, wer sie kontrollieren soll, gilt: Zunächst mit der Person ruhig ins Gespräch gehen und beiseitetreten; verhindern, dass sich Unbeteiligte einmischen. Die OD-Leitung sollte immer ansprechbar sein. Hinweis, auch das Awareness-Team hinzuzuziehen (wenn vorhanden).
    • Diskriminierungsschutz für alle: Potenzielle sexistische Kommentare gegenüber weiblichen OD-Kräften thematisieren. Diskriminierungsschutz besteht für alle Personen. Dementsprechend hat beispielsweise auch eine weibliche OD-Kraft das Recht, die Kontrolle eines Fans abzulehnen.

      Die Sensitivity Lane muss an die örtlichen Gegebenheiten angepasst sein. Welche lokalen Besonderheiten es für die OD-Kräfte zu beachten gibt, sollte ebenfalls in der Schulung vermittelt werden bzw. im Info-Papier vermerkt sein.

      Briefing aller Ordnungsdienst-Kräfte

      Bei Einführung einer Sensitivity Lane ist es notwendig, alle OD-Kräfte über die Neuerungen zu informieren. Dies kann ebenfalls als Handout oder mit einer Taschenkarte erfolgen (Beispiele siehe unter ‚Weiterführende Materialien‚.

      Relevante Informationen sind:

      • An den Sensitivity Lanes werden Fans jeden Geschlechts von den dort positionierten Sensitivity Stewards kontrolliert.
      • Es erfolgt keine Zuweisung des Geschlechts durch OD-Kräfte.
      • Bei Fragen / Problemen an die geschulten Sensitivity Stewards oder die OD-Leitung wenden
      • Infografik über die örtliche Umsetzung der Sensitivity Lane

    Praxisbeispiele

    Die Sensitivity Lane bei der EURO 2024

    Die EURO 2024 GmbH hat bei der Europameisterschaft 2024 in Deutschland Sensitivity Lanes eingeführt. Zur Vorbereitung hat die Nachhaltigkeitsabteilung Informationspapiere für Sicherheitsverantwortliche und Sensitivity Stewards bereitgestellt. Darüber hinaus wurden die wichtigsten Informationen zusätzlich auf einer Taschenkarte für die OD-Kräfte festgehalten.

    Weiterführende Materialien

    Rechtlichen Informationen zum gendersensiblen Einlass

    Die wichtigsten rechtlichen Informationen zum gendersensiblen Einlass im Stadion, zusammengestellt von KoFaS.

    Empfehlungen und Vorlagen des DFB

    Der DFB hat Empfehlungen für die Einrichtung von Sensitivity Lanes herausgegeben sowie einen Beispieltext für eine Taschenkarte zur Verfügung gestellt.

    Checkliste zur Sensitivity Lane

    Die wichtigen Schritte auf einen Blick:

    „Es reicht nicht, nur die Eingangssituation zu regeln. Alle müssen vorher wissen, wie es läuft.“


    Alex*, nicht-binär, trans*