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So können wir in unserem Stadion Awareness-Strukturen aufbauen und weiterentwickeln

Warum ist das wichtig?

Fußball ist für alle da! Um diesem Wunsch näherzukommen, braucht es aktive Anti-Diskriminierungsarbeit. Dazu gehören sowohl Prävention als auch Fürsorge für von Diskriminierung und Gewalt betroffene Personen. Beides führt langfristig zu diskriminierungsärmeren Strukturen. Aktuell haben Personen, die im Fußball Diskriminierungen erleben, häufig keinen sicheren Ort und auch keine Person, an die sie sich im Falle eines erlebten (oder beobachteten) Übergriffs vertrauensvoll wenden können. Das kann dazu führen, dass sie schweigen oder dass sie an ungeschulte Personen geraten, dass ihnen womöglich nicht geglaubt wird, dass sie (re)traumatisiert werden und in Zukunft dem Stadion fernbleiben.

Eine mögliche Maßnahme, Diskriminierung und Gewalt zu begegnen, sind Awareness-Konzepte. Sie unterstützen betroffene Personen nach Vorfällen direkt vor Ort und wirken langfristig auch präventiv. Dabei sollen sie das bestehende Sicherheitskonzept nicht ersetzen, sondern ergänzen. 

Im Fanbereich haben sich viele Vereine auf den Weg gemacht, Awareness-Konzepte zu entwickeln. Das Netzwerk Fußball gegen Sexismus muss da zuvorderst genannt werden, weil sie das Thema erstmals auf die Agenda gebracht haben.“

Cristin Gießler (KoFaS), zitiert im kicker Dezember 2021

Was sind umsetzbare Maßnahmen?

Awareness kann nur gelingen, wenn dafür verschiedene Abteilungen zusammenarbeiten und gemeinsam an einem Strang ziehen. Awareness muss von der Clubleitung gewollt sein und mit angemessenen Ressourcen ausgestattet werden. Erstellt und umgesetzt werden Awareness-Konzepte überwiegend von der CSR/CR Abteilung sowie der Fanbetreuung (oder auch vom Fanprojekt) in Kooperation mit Selbstvertretungsorganisationen, die die Perspektiven betroffener Personen einbringen.

Dabei ist zu beachten: Jeder Club braucht ein eigenes, maßgeschneidertes Konzept, das im Zusammenwirken verschiedener Abteilungen entsteht. Die tatsächliche Umsetzung eines solchen Konzeptes dauert ein bis drei Jahre, denn Awareness kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten davon überzeugt sind und ihre Aufgabe kennen. Zudem muss die Kommunikation gut abgestimmt sein, damit vom Starttag an sowohl Fans als auch alle im Stadion arbeitenden Gewerke wie Catering oder Security gut informiert sind.

Ein wirkungsvolles Awareness-Konzept kann nur entstehen, wenn wir mit vielen internen und externen Expert*innen zusammenarbeiten und im besten Falle die Verantwortung auf viele Schultern verteilen. Das ist ein langer Weg.“

Laura Bureck, Präventionsbeauftragte der Akademinia und Mitarbeiterin „Sichere Burg“ des DSC Arminia Bielefeld
  • Warum Awareness im Fußball?

    Awareness ist eine gute Möglichkeit, auf die besondere Gefahr von Diskriminierung für lsbtiq* Fans im Fußball zu reagieren. Es ist ein passender Baustein (unter mehreren), um der gesetzlich geregelten Pflicht für Clubs, gegen Diskriminierungen aktiv zu werden, nachzukommen.

    Sexismus und Queerfeindlichkeit gehören zu den am häufigsten beobachteten Diskriminierungsformen im Stadion. Die Forschung zeigt, dass Sexismus und Queerfeindlichkeit eng zusammenhängen und am besten gemeinsam bekämpft werden.

    Allein für den Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis 18. April 2023 wurden in Nordrhein-Westfalen laut der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW (kurz: MeDiF-NRW) 123 sexistische, 41 rassistische, 34 antisemitische, 30 queerfeindliche und 13 ableistische Vorfälle im Stadion sowie auf den An- und Abreisewegen gemeldet (Quelle: MeDiF-NRW, Jahresbericht 2022). Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Fälle dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Das bedeutet vor allem eines: Es braucht mehr Aufmerksamkeit für Sexismus und Queerfeindlichkeit und Konzepte für Anti-Diskriminierung, die Sexismus und sexualisierte Gewalt mitdenken, denn diese Themen finden aktuell im Fußball noch sehr wenig Beachtung.

  • Erfahrungen mit Awareness im Fußball

    Immer mehr Fußballvereine etablieren mittlerweile Anlaufstellen für Betroffene von Diskriminierung und sexualisierter Gewalt. Eine Übersicht über Anlaufstellen / Awareness-Projekte deutscher Clubs hat das Netzwerk Fußball gegen Sexismus zusammengestellt (siehe Praxisbeispiele).

    Die Erfahrungen der Awareness-Teams in deutschen Stadien zeigen deutlich: Diskriminierungen wie Sexismus und Queerfeindlichkeit kommen nicht nur im Fanblock, sondern auch in den VIP-Logen, auf den Haupttribünen, am Einlass sowie auf den An- und Abreisewegen vor. Awareness-Konzepte im Fußball dürfen also nicht auf Fans oder auf bestimmte Bereiche im Stadion beschränkt sein, sondern müssen das gesamte Geschehen im Stadion, auf den Wegen sowie im Arbeitsalltag der Clubs einbeziehen.

  • Awareness: Basics

    Der englische Begriff awareness heißt übersetzt Bewusstsein oder auch Achtsamkeit. Awareness rückt die Betroffenen von Diskriminierung ins Zentrum des Handelns, um ihnen Hilfe anzubieten und zugleich sukzessive Strukturen abzubauen, die Diskriminierung begünstigen können. Das setzt ein Bewusstsein darüber voraus, dass sexualisierte Gewalt und Diskriminierung im Stadion stattfinden, sowie den Willen, als Club etwas dagegen zu unternehmen.

    Das Ziel von Awareness ist es, betroffene Personen im Falle von Diskriminierung oder sexualisierter Gewalt zu unterstützen und eine angenehme, sichere, respektvolle und möglichst diskriminierungsfreie Atmosphäre für alle Menschen zu schaffen. Dafür braucht es strukturelle Veränderungen. Und die lassen sich nur erreichen, indem alle Menschen und Abteilungen im Club intensiv zusammenarbeiten. Awareness ist eine gemeinsame Kraftanstrengung!

    Grundbausteine von Awareness

    Ein Awareness-Konzept besteht aus vier Teilen. Jeder dieser Teile ist wichtig – keiner kann weggelassen werden.

    1. Leitlinien: Zu Beginn wird die innere (und äußere) Haltung erarbeitet und man verständigt sich intern auf Leitlinien: Wie soll das Konzept heißen? An welchen Grundsätzen orientiert sich das Konzept? Wie werden Betroffenenperspektiven und bisherige Erfahrungen mit Diskriminierung im Stadion eingebunden? Wie werden Awareness-Teams zusammengestellt und geschult? Welche Struktur soll aufgebaut werde? Wo liegen Verantwortlichkeiten? Wer hat den Überblick? Wie wird das im zukünftigen Betrieb erlangte Wissen darüber, wo und wie Diskriminierung passiert, ausgewertet?

    2. Prävention: Präventionsarbeit ist nach innen und nach außen nötig, um Empathie und Verständnis zu fördern, um Veränderungen in Gang zu setzen und damit möglichst viele zukünftigen Übergriffe zu verhindern. Dazu gehört beispielsweise, im Rahmen von Workshops für Sexismus und Queerfeindlichkeit zu sensibilisieren, Lesungen oder Vorträge von Betroffenen zu organisieren, aber auch strukturelle Veränderungen vorzunehmen, wie etwa zusätzliches Sicherheitspersonal an gefährlichen oder angstbesetzen Orten einzusetzen oder sexistische Kleidungsvorschriften für das Catering Personal in den VIP Lounges abzuschaffen. Zur Prävention gehört auch, das Awareness-Konzept clubintern sowie extern angemessen zu bewerben, damit möglichst viele Menschen Kenntnis darüber erlangen und verstehen, was Awareness ist und was damit erreicht werden soll. Die Präventionsarbeit entwickelt sich aus den Ergebnissen der Evaluation heraus stetig weiter.

    3. Intervention: Ein zentraler Aspekt von Awareness-Konzepten sind konkrete Unterstützungsangebote für Personen, die Diskriminierung erfahren haben, sofort und vor Ort. Üblicherweise mit zwei Elementen: (1) einer Anlaufstelle (einem ruhigen Ort im Stadion, an dem betroffene Personen betreut werden können) sowie (2) Awareness-Teams, also kleinen geschulten und entsprechend sensibilisierten Teams, die sichtbar im Stadion unterwegs und unterstützend tätig sind. Zudem sollten auch Möglichkeiten geschaffen werden, das Team außerhalb der Spielzeiten zu erreichen.

    4. Evaluation: Die Fälle müssen (datenschutzkonform!) dokumentiert und auswertet werden; es braucht Möglichkeiten, Feedback zur Awarenessarbeit einzuholen. Ziel der Evaluation ist ein Strukturwandel: Konsequenzen zu ziehen aus den dokumentierten Vorfällen, das heißt Strukturen und Abläufe entsprechend zu überarbeiten, um sie weniger diskriminierungsanfällig zu gestalten.

    Zusammenarbeit der Abteilungen

    Um die vier Grundbausteine im Club sinnvoll umzusetzen, müssen verschiedenste Abteilungen an einem Strang ziehen:

    • Geschäftsführung: ideelle und finanzielle Unterstützung; Verankerung eindeutiger Positionen in Satzung, Geschäftsbedingungen und Stadionordnung
    • CSR Abteilung und / oder Abteilung Fanbetreuung: Konzept partizipativ mit Fans und Selbstvertretungsorganisationen erstellen; Awareness-Konzept intern kommunizieren; Rückzugsraum im Stadion einrichten; Awareness-Teams und Schulungen organisieren; Handlungs- und Kommunikationsketten erarbeiten; Prävention und Evaluation
    • Fanbeauftragte: Partizipation von Fans bei Erstellung und Umsetzung organisieren; Bedarfe in den Fanszenen abfragen und das Erfahrungswissen der Fans einbinden
    • Veranstaltungsleitung: Entscheidung über Stadiondurchsagen, Hausverbote oder ähnliche Maßnahmen
    • Sicherheit: Kooperation von Sicherheitsabteilung und Awareness verabreden (z.B. Weisungsbefugnisse); Rollenklärung für Security-Dienstnehmer*innen / Ordnungskräfte sowie Polizei im Awarenesskontext und diese auch rechtzeitig einbinden und informieren
    • Presse/ÖA / Kommunikation: Sichtbarkeit schaffen; Anlaufstelle bewerben (z.B. Infos durch Stadionsprecher*innen); Transportieren von Werten und Verhaltensregeln; transparenter Umgang mit Vorfällen; Verständnis für Funktionsweise und Notwendigkeit des Konzeptes bei allen Beteiligten sicherstellen und (dadurch) diskriminierende Debatten in den sozialen Medien kontextualisieren und im besten Falle verhindern
  • Was CSR/CR Abteilungen tun können

    Die bisher im Fußball entstandenen Awareness-Konzepte wurden meist von der CSR/CR Abteilung entworfen und umgesetzt, teilweise in Kooperation mit den Fanbeauftragten. Häufig ging die ursprüngliche Initiative von Fans aus, die sich Awareness im Stadion wünschten. An einigen Standorten wurden aktive Fans auch in die Entwicklung von Awareness-Konzepten einbezogen.

    Konzeption

    Das Konzept sollte partizipativ mit Fans und Selbstvertretungsorganisationen erstellt werden. Wenn die CSR/CR Abteilung die Koordination übernimmt, stehen folgende konzeptionelle Aufgaben an:

    • An welchen Grundsätzen orientiert sich das Konzept?
    • Welche Formen von Diskriminierungen im Stadion sind bisher bekannt? Soll hierzu eine Umfrage erstellt werden?
    • Wie werden Betroffenenperspektiven und bisherige Erfahrungen mit Diskriminierung im Stadion eingebunden?
    • Welche Struktur soll aufgebaut werde?
    • Wo liegen welche Verantwortlichkeiten?
    • Soll es ein Codewort geben?
    • Wie soll das Konzept heißen?
    • Dokumentation und Evaluation planen: Wie wird das im zukünftigen Betrieb erlangte Wissen darüber, wo und wie Diskriminierung passiert, ausgewertet?

    Das Netzwerk Fußball gegen Sexismus hat eine Anleitung für Awareness-Konzepte im Fußball geschrieben: Das „Handlungskonzept gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt im Fußball“ erklärt den Aufbau von Awareness-Strukturen, gibt viele Tipps und Handreichungen und ist damit eine sehr gute erste Informationsquelle (diese und weitere wichtige Quellen siehe unter Weiterführende Materialien).

    Koordination und Kommunikation

    Awareness zu installieren bedeutet zuallererst viel Koordination und Kommunikation. Es ist wichtig abzuklären, dass hierfür auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung stehen. Ein Awareness-Konzept lässt sich nicht aus dem Ärmel schütteln, sondern bedarf einer gemeinsamen Anstrengung. Viele berichten, dass diese Erfahrungen den Club und die Mitarbeitenden neu zusammenschweißen kann und die interne Haltung und Bindung festigt.

    • Awareness-Konzept intern kommunizieren und die Zusammenarbeit der Abteilungen organisieren, insbesondere die Einbindung in das Sicherheitskonzept und die Zusammenarbeit mit internen und externen Sicherheitsverantwortlichen (Sicherheitsbeauftragte, Security, Polizei)
    • Vernetzung mit externen Beratungsstellen (Stichwort „Verweisberatung“)
    • Rückzugsraum im Stadion einrichten
    • Awareness-Teams und Schulungen organisieren
    • Interne Einbindung aller Mitarbeitenden, dabei möglichst alle mitnehmen und Zeit für Diskussionsprozesse einplanen
    • Kooperation mit Veranstaltungsleitung: Entscheidung über Stadiondurchsagen, Hausverbote oder ähnliche Maßnahmen
    • Kooperation mit Sicherheit: Zusammenarbeit von Sicherheitsabteilung und Awareness ausarbeiten (z.B. Weisungsbefugnisse), Rollenklärung für Security-Dienstnehmer*innen / Ordnungskräfte und Polizei im Awarenesskontext und diese auch rechtzeitig einbinden und informieren
    • Kooperation Presse/ÖA / Kommunikation: Sichtbarkeit schaffen; Anlaufstelle bewerben (dabei auf Bildmaterial achten, das keine Klischees reproduziert). Wie können Werte und Verhaltensregeln transportiert werden? Was braucht es für einen transparenten Umgang mit Vorfällen in der Öffentlichkeit?
    • Verständnis für Funktionsweise und Notwendigkeit des Konzeptes bei allen an der öffentlichen Kommunikation Beteiligten sicherstellen und sie (dadurch) in die Lage versetzen, diskriminierende Debatten in den sozialen Medien zu kontextualisieren und im besten Falle zu verhindern
    • Handlungs- und Kommunikationsketten erarbeiten
  • Was Fanbeauftragte tun können

    Fans sind die zahlenmäßig größte Zielgruppe beim Thema Awareness und ihre Perspektive sollte von Beginn an einbezogen werden, beispielsweise durch Befragungen zu Diskriminierungserfahrungen oder zu Wünschen an Awareness. Einzelne Fanvertreter*innen können in den Entwicklungsprozess eingebunden werden, etwa in einer Projektgruppe oder einer Art Beirat. Fanbeauftragte und Fanprojekt können diese Teilhabe organisieren.

    Ein Awareness-Konzept besteht aus den vier Teilen: Haltung, Prävention, Intervention, Evaluation (siehe Awareness: Basics). Auf allen vier Ebenen können und sollen Fans einbezogen werden, denn das erhöht die Wirksamkeit und die Akzeptanz des Angebots. Fanbetreuung und Fanprojekt können sich dafür einsetzen, dass die Teilhabe von Fans jeweils von Beginn an mitgedacht wird.

    In vielen Stadien sind Fans in den Awareness-Teams unterwegs. Daher sollte man rechtzeitig deren Einarbeitung, Weiterbildung, Betreuung (z.B. Supervision) und Honorierung klären. Hier können sich Fanbetreuung und Fanprojekt für gute Arbeitsbedingungen der Awareness-Teams stark machen.

    Die bisherige Erfahrung hat gezeigt, dass im Fußball entstandenen Awareness-Konzepte meist von der CSR/CR Abteilung entworfen und umgesetzt wurden. Gleichermaßen kann die Initiative auch von Fanbeauftragten ausgehen. Für ein detailliertes Vorgehen siehe die Maßnahmen bei CSR/CR Abteilung

  • Was Fans tun können

    Oft sind es die Fans, die vom Club Maßnahmen gegen Diskriminierung einfordern und ein Awareness-Konzept anstoßen.

    Partizipation

    Fans setzen sich aktiv mit Anti-Diskriminierung auseinander und Fans verfügen über ein großes Erfahrungswissen dazu, welche Übergriffe wann und wo stattfinden und wie sie sich möglicherweise unterbinden ließen. Daher ist es aus Perspektive des Clubs wichtig, die Partizipation von Fans von Beginn an mitzudenken, und es ist aus der Perspektive von Fans mindestens ebenso wichtig, diese Teilhabe auch einzufordern.

    Ein Awareness-Konzept besteht aus den vier Teilen Haltung, Prävention, Intervention und Evaluation (siehe Awareness: Basics). Auf allen vier Ebenen können Fans mitarbeiten, das erhöht jeweils die Wirksamkeit und die Akzeptanz des Angebots.

    Fans als Mitarbeitende im Awareness-Team

    In vielen Stadien sind Fans in den Awareness-Teams unterwegs. Hier ist es notwendig, rechtzeitig die Einarbeitung, Weiterbildung, Betreuung (z.B. Supervision) und Honorierung zu klären. Fanbetreuung und Fanprojekt können sich für gute Arbeitsbedingungen der Awareness-Teams einsetzen.

    Awareness von Fans für Fans

    Manche aktiven Fanszenen möchten Awareness-Angebote durch den Club vielleicht nicht nutzen. Da es aber auch in ihren eigenen Reihen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt gibt, lohnt es sich, dafür auch intern eigene Strukturen und Handlungsketten aufzubauen, weil aktive Fans viel gegenseitige Verantwortung übernehmen und sehr intensive soziale Kontakte haben.

    Das Netzwerk Fußball gegen Sexismus hat einen speziell auf Fans zugeschnittenen Leitfaden gegen sexualisierte Gewalt in Fanszenen erstellt: „NO MEANS NO! Was tun bei sexualisierter Gewalt in Fußballfanszenen?“ Dieser Handlungsleitfaden richtet sich an Fanszenen und gibt Tipps für die Prävention und Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt (übertragbar auch auf andere Formen von Diskriminierung) innerhalb von organisierten Fangruppen. Dabei geht der Leitfaden auf Spezifika von aktiven Fußballfanszenen ein und bietet einen Denkanstoß sowie eine Vorlage zum gemeinsamen Handeln und Weiterdenken gegen Sexismus und Diskriminierung innerhalb von Fangruppierungen (siehe unter Weiterführende Materialien).

  • Was die Geschäftsführung tun kann

    Ohne den Willen der Geschäftsführung und Unterstützung von ihrer Seite kann kein Awareness-Konzept entstehen. Von der Geschäftsführung muss auch die Forderung ausgehen, dass alle beteiligten Abteilungen an einem Strang ziehen und sich entsprechend weiterbilden.

    Ein Awareness-Konzept besteht aus den vier Teilen Haltung, Prävention, Intervention, Evaluation (siehe Awareness: Basics). In allen vier Bereichen braucht es die Unterstützung durch die Geschäftsführung, die das Konzept sowie den Sinn und den Mehrwert von Awareness nach innen und nach außen kommuniziert. Für alle vier Teile muss die Geschäftsführung ein Budget zur Verfügung stellen, in dem sowohl einmalige Einrichtungskosten als auch laufende Kosten für Personal, Weiterbildung und Supervisionen berücksichtigt werden.

    Die Geschäftsführung sollte zudem dafür sorgen, dass Satzung, Leitbilder sowie die Geschäftsbedingungen und die Stadionordnung an das Awareness-Konzept angepasst werden. Zudem sollten ‚rote Linien des Clubs‘ diskutiert und festgelegt werden.

    Awareness-Konzepte im Fußball dürfen nicht auf den Fanblock oder auf bestimmte Bereiche im Stadion beschränkt sein, sondern müssen das gesamte Geschehen sowie den Arbeitsalltag der Clubs einbeziehen. Auch externe Dienstleistende und Club-Beschäftigte müssen mitgedacht werden. Zudem sollte geklärt werden, wie die Awareness-Struktur und die nach § 13 AGG verpflichtend einzurichtende innerbetriebliche Beschwerdestelle für Beschäftigte zusammenarbeiten (siehe Weiterführende Materialien: AGG – Pflichten für Arbeitgeber).

  • Was Sicherheitsbeauftragte tun können

    Mit Awareness-Strukturen gibt es betroffenenzentrierte und parteiliche Unterstützung (siehe Awareness: Basics). Das ist ein Paradigmenwechsel, was den Blick auf die Sicherheit der Fans im Stadion angeht. Denn bisher lag der Fokus auf Tätern (und Täter*innen), die es dingfest zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen galt. Bei Awareness liegt der Fokus auf den betroffenen Personen und ihren Bedürfnissen. Um das zusammenzubringen und auch entsprechend umsetzen zu können, muss das Sicherheitskonzept angepasst beziehungsweise erweitert werden.

    Mit der Einführung eines Awareness-Konzepts muss die Kooperation zwischen Sicherheitsabteilung und Awareness miteinander abgestimmt werden, beispielsweise die Frage, wer wann welche Weisungsbefugnisse hat. Zudem sind rechtliche Fragen zu klären: Wann muss die Polizei hinzugezogen werden?

    Die wichtigste Aufgabe ist die Rollenklärung für die Security-Unternehmen respektive Ordnungskräfte, denn es muss geregelt werden, wie ihre Zusammenarbeit mit der Awareness-Struktur aussehen soll. Dafür ist es wichtig, alle rechtzeitig zu informieren und dafür zu sorgen, dass die Informationen und Anweisungen auch bei häufigem Personalwechsel präsent bleiben (Taschenkarten, Schulungen).

    Damit Awareness-Teams und Ordnungsdienste gut zusammenarbeiten können, ist es Aufgabe der Sicherheitsverantwortlichen, die jeweiligen Aufgaben zu kennen, die Aufgabenbereiche abzugrenzen und an bestimmten Stellen (wie z.B. in der Kommunikation) miteinander zu verzahnen.

    Unterschied Ordnungsdienst versus Awareness-Team

    OrdnungsdienstAwareness-Team
    arbeitet im Auftrag des Clubs

    Agiert im Auftrag der Betroffenen

    handelt schnell, autoritär, hierarchisch

    nimmt sich Zeit, handelt empathisch, parteilich

    entscheidet, ob Polizei gerufen wird

    überlässt Betroffenen die Entscheidung, ob Polizei hinzugezogen wird

    arbeitet physisch, führt Platzverweis gegenüber grenzüberschreitender Person aus
    arbeitet mit Kommunikation, hört aktiv und achtsam zu
    setzt Hausordnung um

    achtet auf gegenseitige Rücksicht

„Sprecht mit euren Frauen, People of Colour, queeren Menschen – und ich verspreche euch, sie werden sagen: Awareness lohnt sich!“

Paula Scholz, Netzwerk Fußball gegen Sexismus

Praxisbeispiele

Anlaufstellen und Awareness-Projekte im Fußball

Das Netzwerk Fußball gegen Sexismus hat eine Übersicht über Anlaufstellen / Awareness-Projekte deutscher Clubs zusammengestellt. Die Übersicht wird ständig erweitert und aktualisiert, neue Standorte können sich beim Netzwerk anmelden und werden in die Liste aufgenommen.

Handlungsleitfaden für Fanszenen

Der Handlungsleitfaden „NO MEANS NO! Was tun bei sexualisierter Gewalt in Fußballfanszenen“ des Netzwerks Fußball gegen Sexismus beschreibt, was Fans innerhalb ihrer Fanszene gegen sexualisierte Gewalt tun können.

Handlungsleitfaden Awareness für Clubs

Das „Handlungskonzept gegen sexualisierte Gewalt im Zuschauer*innensport Fußball“ bietet Grundlagenwissen zu Sexismus im Fußball und das Netzwerk Fußball gegen Sexismus beschreibt darin auch ausführlich, wie Awareness-Strukturen aufgebaut werden können.

„Awareness ist ein Prozess, eine Lebensaufgabe und muss wirklich gewollt sein, um Teil der Identität eines Clubs zu werden.“

Lewamm Ghebremariam, Diversity Trainerin, Gründerin von lemlemculture.com

Weiterführende Materialien

Statistik

Aktuelle Zahlen zu Diskriminierungen im Fußball bietet der Jahresbericht der Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in Nordrhein-Westfalen (MeDiF-NRW). Zudem enthält der Bericht ausführliche Informationen zu unterschiedlichen Diskriminierungsformen, von Antifeminismus bis Queerfeindlichkeit.

 

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Übersicht über die Pflichten für Arbeitgeber nach dem AGG

Das AGG verpflichtet Arbeitgeber dazu, eine Beschwerdestelle einzurichten. Das Beschwerderecht nach § 13 AGG räumt Beschäftigten eines Unternehmens ein umfassendes Beschwerderecht in Bezug auf Diskriminierungen ein. Die konkrete Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens und der einzurichtenden Beschwerdestelle wird dabei dem Arbeitgeber überlassen.

Materialien zu Awareness

Saferspaces ist eine Softwareanwendung, die es ermöglicht, über QR-Codes Hilfe zu holen. Manche Standorte (z.B. St. Pauli und FC Bayern) integrieren diese Technik in ihr Awareness-Konzept. Saferspaces ersetzt Awareness nicht, kann sie aber ergänzen.

Rahmenbedingungen und Mindeststandards in der Awareness-Arbeit: die Broschüre10 Must-Haves für die Einführung von Awareness-Strukturen“ und „10 Must-Haves für funktionierende Awareness-Teams“ von Iniitiative Awareness e.V.

Ausführliche Broschüre (60 Seiten) zu Awareness und Umgang mit Diskriminierung & (sexualisierter) Gewalt bei Veranstaltungen wie z.B. Festivals oder bei Musikkonzerten, veröffentlicht von Initiative Awareness e.V.

Flyer: Erste Handlungsoptionen für betroffene Personen, Bystander und gewaltausübende Personen in 6 Sprachen von Initiative Awareness e.V.

Flyer: Leichte Sprache

Awareness in 3 Videos erklärt

WAS WILL AWARENESS?

Katharin Ahrend von der Awareness-Akademie der Berliner Clubcommission erklärt Entstehung und Grundsätze von Awareness.

Video: 5 Minuten (aufgenommen auf der KoFaS-Veranstaltung ‚Aware of us? Antidiskriminierungsansätze im Fußballstadion‘).

AWARENESS IM FUSSBALL

Paula Scholz, vom Netzwerk gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt, fasst zusammen wie sich Awarenessansätze konkret im Fußball entwickelt haben und das dabei zu beachten ist.

Video: 12 Minuten (aufgenommen auf der KoFaS-Veranstaltung ‚Aware of us? Antidiskriminierungsansätze im Fußballstadion‘).

UNTERSCHIEDLICHE AWARNESS-ANSÄTZE IM FUSSBALL

Podiumsdiskussion im Rahmen der KoFaS-Veranstaltung ‚Aware of us? Antidiskriminierungsansätze im Fußballstadion‘ am 23.6.6.2022 in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin (90 Minuten).

Es diskutieren:

  • Laura Bureck, Präventionsbeauftragte der Akademinia und Mitarbeiterin „Sichere Burg“ des DSC Arminia Bielefeld
  • Daniela Wurbs, KickIn! Beratungsstelle für Inklusion & Vielfalt im Fußball und Netzwerk gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt
  • Falk Werner, Netzwerk gegen Sexismus und sexualisierte Gewalt
  • Moderation: Alina Schwermer, taz