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So lassen sich All-Gender-Toiletten im Stadion umsetzen

Warum ist das wichtig?

Die Infrastruktur der meisten Stadien gibt eine klare Zuordnung auf den Toiletten vor: Wer mal muss, muss entweder auf die Männer- oder auf die Frauentoilette.

Für viele trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre (tin*) Fans bedeutet die Toilettensituation eine der größten Hürden bei einem Stadionbesuch. Wer nicht eindeutig als dem auf der Türe angezeigten Geschlecht zugehörig wahrgenommen wird, muss immer damit rechnen, ungewollt Aufmerksamkeit zu erregen und Diskriminierungen ausgesetzt zu sein. 

 Die Toiletten sind immer gefährlich für trans* Leute. Wenn da in Männer und Frauen aufgeteilt wird. Da kann es passieren, dass ich nicht aufs Frauenklo darf oder da blöd angemacht werde.

Martina, weiblich, trans*

Auch Elternteile, die mit Kindern auf Toilette gehen, oder Personen, die das WC mit einer Assistenzperson unterschiedlichen Geschlechts aufsuchen, stoßen hier auf Probleme.

Für diese Personen sowie für tin* Fans im Stadion braucht es eine selbstverständliche Möglichkeit, sanitäre Anlagen aufsuchen zu können, ohne einen (verbalen) Übergriff befürchten zu müssen.

Queer im Stadion: Toiletten


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Julia und Anny sitzen im Olympiastadion Berlin und erzählen über ihre Erfahrungen mit Toiletten im Fußballstadion. Anny beschreibt den Gang zur Toilette als Moment des Zwangsoutings, wenn keine All-Gender-Toilette zur Verfügung steht. Julia erzählt, dass jeder Gang zur Toilette mit Unwohlsein verbunden ist und der Frage, ob etwas pasiert. Anny äußert den Bedarf, dass All-Gender-Toiletten in jedem Stadion eingeführt werden sollten.

Was sind umsetzbare Maßnahmen?

Einige Stadien haben bereits All-Gender-Toiletten, also Toiletten, die nicht nach Mann / Frau getrennt, sondern für alle Geschlechter gedacht sind. Es sollte sie aber in allen Stadien geben. Dabei ist zu beachten, dass die Toiletten der jeweils gültigen Versammlungsstättenverordnung entsprechen müssen. Sowohl beim DFB als auch bei der Deutschen Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit e.V. (dgti) arbeiten aktuell Expert*innengruppen an rechtssicheren Vorschlägen zum Thema. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) empfiehlt in der neuen Richtlinie VDI 6000 ebenfalls geschlechtsneutrale Sanitäranlagen und schlägt ein umfassendes „Universal Design“ vor (siehe unten unter Weiterführende Materialien).

Die bloße Deklarierung einer All-Gender-Toilette im Stadion reicht allein nicht aus, ihre Existenz muss auch angemessen clubintern und öffentlich kommuniziert werden. Um die Maßnahme nachhaltig zu verankern, sollten mehrere Abteilungen zusammenarbeiten.

  • Was CSR/CR Abteilungen tun können

    Oft stoßen die Menschen im Club, die sich mit dem Thema soziale Verantwortung beschäftigen, auch die Einführung von genderneutralen Toiletten im Stadion an, häufig in Zusammenarbeit mit der Fanabteilung. Bei der CSR/CR Abteilung liegt oftmals auch die Zuständigkeit, das Vorgehen zu koordinieren.

    Je nachdem, von wem das Stadion betrieben wird, muss der Kontakt entweder mit der Geschäftsführung oder mit den städtischen Betreiber*innen gesucht werden.

    Unter Weiterführende Materialien findet sich eine ausführliche Checkliste für die Einrichtung von All-Gender-Toiletten im Stadion.

    Fragen, die im Vorfeld geklärt werden müssen
    • Welche Toiletten eignen sich für den Umbau zur All-Gender-Toilette?
    • Wo gibt es infrastrukturell die Möglichkeit, eine / mehrere ganz neue All-Gender-Toilette(n) zu errichten? Sind Umbaumaßnahmen geplant? Gibt es in diesem Zusammenhang vielleicht sogar finanzielle Förderung?
    • Stehen die Pläne im Einklang mit der Versammlungsstättenverordnung?

    Sind diese Fragen geklärt, gilt es, die Maßnahmen umzusetzen.

    Gestaltung der All-Gender-Toilette

    Die All-Gender-Toilette sollte so gestaltet sein, dass sie ein tatsächliches Angebot für trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Fans darstellt. Weiterhin sichtbare Urinale nach einer „Umlabelung“ könnten nämlich dazu führen, dass die Toilette als Männer-Toilette wahrgenommen wird, und somit die Hürden für die Nutzung erhöhen. Daher sollten die Urinale abgeklebt werden.

    Besser noch ist es, eine Toilette zu wählen, die aus einzelnen Kabinen mit Sitztoiletten besteht. Dabei gilt es auch darauf zu achten, Mülleimer in jeder Toilette bereitzustellen.

    Besteht die Möglichkeit, All-Gender-Toiletten im Rahmen eines Neubaus einzurichten, sollte die VDI-Richtlinie 6000 zugrunde gelegt werden.

    Ausschilderung und Piktogramm

    In den Stadionplänen und auf den allgemeinen Hinweis-Schildern für WCs muss klar erkennbar sein, wo die All-Gender-Toiletten zu finden sind.

    Auch an den All-Gender-Toiletten selbst braucht es eine klare Beschilderung (Signage).

    Es wird davon abgeraten, die Toiletten „Unisex“ zu nennen. Der Begriff kann fälschlicherweise mit Sexualität assoziiert werden und ist für die Bezeichnung von Sanitäranlagen ungeeignet.

    Bei der Wahl des Piktogramms greifen Clubs und Verbände auf unterschiedliche Möglichkeiten zurück. Oftmals werden auch zusätzlich erklärende Aushänge gestaltet, die Sinn und Zweck der All-Gender-Toiletten beschreiben und zu einem besseren Verständnis führen sollen (siehe hierzu die ausführlichen Empfehlungen unter Weiterführende Materialien).

    Hinweis an die Sicherheitsabteilung

    Sowohl die Bereiche vor den Toiletten als auch die Innenräume der Toiletten werden häufig als besonders gefährlich und unangenehm wahrgenommen. Einerseits, weil hier eine Zuordnung nach Geschlecht stattfindet, andererseits aber auch, weil Toiletten oft unübersichtliche Örtlichkeiten sind und für Frauen und Queers häufig Räume der Angst vor sexualisierten Übergriffen darstellen.

    Es braucht also an diesen Orten unbedingt erhöhte Aufmerksamkeit und Schutz durch Personal (z.B. Ordnungsdienst (OD)-Kräfte / Stewards / Mitglieder des Awareness-Teams), das für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, Sexismus und sexualisierte Gewalt sensibilisiert ist. Denn solche ‚offiziellen‘ Personen, die ansprechbar sind und deutlich machen, dass der Club ein Auge auf die Situation hat, wirken sowohl dem Unsicherheitsgefühl als auch den realen Übergriffen am besten entgegen. Es ist deshalb ratsam, an diesen Orten mehr Präsenz zu zeigen.

    Dementsprechend muss die Sicherheitsabteilung auch darüber informiert sein, wo im Stadion sich die All-Gender-Toiletten befinden. Es ist wichtig, dass sie wiederum die Ordnungsdienstkräfte (OD-Kräfte) brieft und vor Ort platziert. Denn in der Konsequenz sind sie es, die dafür verantwortlich sind, dass die Sicherheit vor, in und um die Toiletten gewährleistet ist.

    Hinweis an die Medienabteilung

    Ohne Kenntnisse darüber, dass es All-Gender-Toiletten gibt und wo sie sich befinden, ‚entdecken‘ Fans im Stadion sie allenfalls zufällig. Aus diesem Grund braucht es eine Abstimmung mit der Medienabteilung.

    Umfassende Informationen, dass der Club jetzt All-Gender-Toiletten einführt, können dazu führen, dass sich tin* Fans eher für ein Ticket entscheiden. Genau zu wissen, wo sich die All-Gender-Toiletten befinden, kann zudem bei der Platzwahl helfen.

    Das Thema All-Gender-Toiletten wird auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen häufig negativ aufgegriffen. Es ist empfehlenswert, sich darauf vorzubereiten und eine Strategie zu entwickeln, etwaigen Anfeindungen zu begegnen (siehe hierzu auch das Thema Umgang mit Diskriminierung).

  • Was Fanbeauftragte tun können

    Der Impuls zur Einführung von All-Gender-Toiletten kann von den Fanbeauftragten ausgehen.

    Fanbeauftragte sind das Bindeglied zwischen Club und Fans. Sollte Kontakt zu tin* Fans oder queeren Fanclubs bestehen, liegt es nahe, zur Einrichtung von All-Gender-Toiletten ins Gespräch zu gehen. Tin* Fans vor Ort und / oder die schwul-lesbischen Fanclubs wissen sicher am besten, welche Bedarfe wie umgesetzt werden sollen. (Für Details zur Einrichtung von All-Gender-Toiletten siehe die Maßnahmen für die CSR/CR Abteilung.)

  • Was Fans tun können

    Oft geht die Initiative für mehr Inklusion und zum Abbau von Barrieren von Fans aus. Im Hamburger Volksparkstadion wurde die Einführung einer All-Gender-Toilette vom queeren Fanclub Volksparkjunxx angestoßen. Auch Verbündete von queeren Fans bzw. Fans, die sich gegen Diskriminierung engagieren (siehe das Thema Fankultur), können den Kontakt zu Fanbeauftragten suchen und die Einführung von All-Gender-Toiletten gemeinsam anregen. (Für Details zur Einrichtung von All-Gender-Toiletten siehe die Maßnahmen für die CSR/CR Abteilung.)

Praxisbeispiele

Fanclubs setzen sich für All-Gender-Toiletten ein

Sowohl beim HSV als auch beim SV Werder Bremen haben sich Fanclubs dafür eingesetzt, dass ihre Clubs in den jeweiligen Stadien All-Gender-Toiletten einrichten. In dem Film „United in Pride“ von QFF berichten sie über ihre Erfahrungen.

All-Gender-Toiletten auf Schalke

Der FC Schalke 04 hat ab der Saison 2023/2024 All-Gender-Toiletten eingeführt.

Weiterführende Materialien

Checkliste für die Einrichtung von All-Gender-Toiletten im Stadion

Für die Einrichtung von All-Gender-Toiletten im Stadion unterstützt folgende Checkliste die abteilungsübergreifende Kommunikation.

Empfehlungen zur Beschriftung von All-Gender-WCs

Empfehlungen von KoFaS und KickIn! zur Beschriftung von All-Gender-WCs, inklusive eines Textvorschlags für einen erklärenden Aushang.

Hintergrundwissen

Artikel mit Hintergrundinformationen zur diskriminierungsfreien Toilettennutzung für alle von der Fachstelle TransInterQueer e.V.

Berliner Empfehlung: WCs für alle Geschlechter

Die Berliner Senatsverwaltung hat einen Flyer zur Einrichtung von WCs für alle Geschlechter herausgegeben.

Informationen zur Richtlinie VDI 6000 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI):

Der VDI erklärt in mehreren Artikeln seine Empfehlungen zu genderneutralen Toiletten, zusammengestellt in der Richtlinie VDI 6000.